Schweiß schweißt zusammen

Baumhauscamp im Wald der Evangelischen Stiftung Pflege Schönau.

Sieben Tage lang wurde gesägt und gehämmert, sie bohrten und banden Baumstämme zusammen – und das in luftiger Höhe. Etwa 15 Meter über dem bemoosten Waldboden turnten die angeseilten Jugendlichen wie Tarzans Jüngste durchs Geäst: Im Odenwald in Michelbuch bei Neckarsteinach wurde ein Baumhauscamp gebaut.

Sein erstes Baumhauscamp veranstaltete Göran Schmidt, Gemeindediakon der evangelischen Jugend im Kirchenbezirk Karlsruhe-Land, Region Karlsbad-Waldbronn, im Jahre 2013 in Schiltach im Schwarzwald, es folgte ein weiteres im gleichen Jahr anlässlich eines internationalen Jugendtreffens in Prag. Schiltach war auch im vergangenen Jahr wiederum Ort des für manche schwindelerregenden Geschehens, dieses Jahr war es vom 20. bis 29. August Michelbuch, in Kooperation mit dem CVJM Landesverband Baden. Die Evangelische Stiftung Pflege Schönau (ESPS) aus Heidelberg sponserte als Eigentümerin des Geländes das Event, stellte Platz, Holz und Infrastruktur zur Verfügung, sorgte für Wasser und Sicherheit, indem sie beispielsweise ihr ehemaliges Forsthaus in der Nähe als Evakuierungsraum zur Verfügung gestellt hat. Schließlich sind bei einem Unwetter die Odenwälder Baumwipfel nicht gerade der gemütlichste Platz.

Wandrers Nachtlied modern
31 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren nahmen am Baumhauscamp teil, angeleitet wurden sie von 21 Betreuern. Gebaut wurden sieben gesicherte und durch Stege verbundene Plattformen in unterschiedlichen Höhen, zwei zum geschlechtergetrennten Übernachten, eine zum Essen, Spielen und eine zum Quatschen und Chillen. Außerdem gab es eine Schwitzhütte, eine Hollywoodschaukel und sogar einen Pool, natürlich alles selbst gebaut. Während der sieben Tage, in denen eifrig gebaut wurde, übernachteten die Teilnehmenden in Zelten auf dem Waldboden, argwöhnisch beobachtet von Reh, Fuchs und ab und zu von einem Wildschwein; nach Fertigstellung ging es für den Rest der Zeit dauerhaft ab in die Höhe zur Wohngemeinschaft mit Eichhörnchen und Buntspecht.

Während Goethe in seinem Nachtlied des Wanderers noch die abendliche Ruhe anno 1780 auf der Holzwand einer Jagdaufseherhütte verewigte: In allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde herrschte im Baumhauscamp reges Leben. Da wurde rund um das knisternde Lagerfeuer geredet und der Tag noch einmal verbal durchgehechelt, da wurde gesungen, was die Kehle hergibt, stets begleitet von mindestens einer Gitarre. Was es allerdings nicht gab: Handyempfang! Strom! Also kein Chatten per WhatsApp, keine Selfies auf Facebook – und das Zwitschern blieb den Vögeln vorbehalten. Stattdessen gemeinschaftliche Diskussionen, Erfahrungsaustausch, Erfolgsgefühle. Der erlebnispädagogische Lernprozess kommt auf leisen Sohlen. Alle, Jungen und Mädchen sind gleich berechtigt, gleich gefordert, gleich gefördert. Es gibt keine Unterschiede, sei‘s beim Geschlecht oder Alter. So entstand eine eingeschworene Gemeinschaft: Schweiß schweißt zusammen!

Pädagogische Ziele auf spielerische Art vermitteln
Viel gelernt werden kann auch ohne direkte Einflussnahme, ohne den pädagogischen Zeigefinger. Die Teilnehmenden am Baumhauscamp lernten ganz selbstverständlich Verantwortung zu übernehmen, Vertrauen zu geben und zu nehmen, Solidarität zu leben. Die pädagogischen Ziele sind dabei klar definiert: Bei den Fachkompetenzen Scouttechnik und Sicherheit erlernten die Jugendlichen das Baumklettern, den Umgang mit Werkzeug und Seil einschließlich Knotenkunde sowie Erste Hilfe- und Rettungskonzepte. Bei der Selbstkompetenz wurden individuelle Fähigkeiten und Interessen gestärkt und eingefordert. Hier galt es, Gaben und Talente, Stärken und Fähigkeiten auszubauen und die eigene Persönlichkeit zu festigen. Die Sozialkompetenz entsteht durch das verantwortungsvolle Leben in der Gemeinschaft, in der Freundschaften entstehen und wachsen können.

Der christliche Hintergrund
Das Baumhauscamp sieht sich als innovatives kirchliches Projekt, die Teilnehmenden bilden eine christliche Gemeinschaft. Dementsprechend begann der Tag mit einer Morgenandacht, allerdings ist die gesamte Veranstaltung interkonfessionell. Die geistlichen Inhalte werden niederschwellig und offen angeboten. Nicht der missionarische Eifer steht im Vordergrund, sondern die Reflektion über christlich-ethische Werte und Grundsätze. Die Antwort auf die Frage, was das Leben lebenswert macht, zog sich wie ein roter Faden durch die Tage; und Lebenswerte wie Verantwortung und Vertrauen, Treue und Solidarität werden ganz praktisch gelebt.

Viel positive Resonanz
Göran Schmidt berichtete über das enorme Interesse der Bevölkerung und die positiven Reaktionen auf das Baumhauscamp. Ganze Wandergruppen kamen vorbei, um sich das Bauwerk aus der Nähe anzusehen. Von einer besonders schönen Geste berichtet er bei der Überfahrt über den Neckar mit der Neckarhäuser Fähre. „Der Fährmann war so angetan von unserem Projekt, dass er die ganze Gruppe spontan kostenlos beförderte, um uns zu unterstützen“, freut sich Göran Schmidt.

Weitere Nutzung geplant
Nach dem Ende des Baumhauscamps durch die Jugendlichen wird die Evangelische Stiftung Pflege Schönau die Anlage noch einige Zeit weiternutzen. So steht beispielsweise Mitte September eine Lehrerfortbildung der Pädagogischen Hochschule der Universität Heidelberg auf dem Programm. Und auch der örtliche Pfarrer hat bereits wegen einer Übernachtung mit seinen Konfirmanden angefragt.
Doch irgendwann im Herbst dieses Jahres wird das Baumhauscamp in Michelbuch Geschichte sein; die Plattformen werden zurückgebaut, das verarbeitete Holz weiterverwertet, die Bäume in ihren ursprünglichen Zustand rückgeführt.

Die ESPS mit Sitz in Heidelberg ist eine selbständige kirchliche Stiftung, deren Wurzeln bis ins Jahr 1560 zurückreichen. Ihr Stiftungszweck besteht im Wesentlichen darin, den Erhalt von Kirchen zu finanzieren. Die Mittel dafür resultieren aus dem umfangreichen Grundbesitz, über den die Stiftung verfügt, also aus Miet- und Pachteinnahmen sowie aus den Erlösen aus dem unternehmerisch geführten Forstbetrieb.
Als größte körperschaftliche Waldbesitzerin in Baden-Württemberg hat es sich die ESPS zur Aufgabe gemacht, nachfolgenden Generationen den Lebensraum Wald und seine Bedeutung für uns Menschen und unsere Gesellschaft näher zu bringen. Für die Stiftung war es deshalb nur konsequent, das Baumhauscamp 2015 erstmalig in ihren Wald nach Nordbaden zu holen.


Christine Flicker, Referentin PR
Evangelische Stiftung Pflege Schönau, Heidelberg
Christine.Flicker@esp-schoenau.de
www.esp-schoenau.de

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